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Interview

Die Faszination des Eisschnelllaufens wieder entdeckt

Interview mit Henriet Bosker, Schweizer Teilmehmerin an den EM Eisschnelllauf, 9.-11.1.2004 Heerenveen, NL

Was bedeutet es für dich, als Holländerin für die Schweiz, in deiner alten Heimat an einer Europameisterschaft im Eisschnelllaufen zu starten?

Bis zu meiner Ankunft in Heerenveen habe ich mir das nie überlegt. Anscheinend kennt man mich hier aber noch. Ich wurde im Vorfeld der Meisterschaften in Zeitungsberichten erwähnt. Und einige Personen haben sogar meine Eltern angerufen, und wollten mehr über mich erfahren. Einen Nationenkonflikt habe ich aber absolut keinen.

Du hast deine Eislaufausbildung in den Niederlanden erhalten, warst Mitglied des Junioren Nationalkaders, vor 9 Jahren aus beruflichen und familiären Gründen in die Schweiz gekommen und hast zehn Jahre mit dem Eisschnelllaufen ausgesetzt. Wie ist es dazu gekommen, dass du vor 2 ½ Jahren mit dem intensiven Eislauftraining wieder angefangen hast?

Meine zwei Kinder waren im Alter, um Eislaufen zu erlernen. So nahmen Ronald und ich Kontakt mit den Eislaufclubs in Zürich und Basel auf und entschieden uns anschliessend in Basel zu trainieren, wo wir per Zufall Nationaltrainer Christian Eminger kennen lernten. Anfänglich haben wir dreimal wöchentlich rein zum Vergnügen trainiert. Ronald sah jedoch sehr schnell seine Entwicklungsmöglichkeiten und wollte möglichst bald die Limiten erreichen, um an den Weltcups zu starten. Ich sah die ganze Sache anfänglich sehr locker. Da ich über die ganze letzte Saison die Limiten für die Weltcups jeweils nur knapp verpasst habe, sah auch ich meine Möglichkeiten bei einem seriösen Training meine Leistung innert kurzer Zeit enorm zu steigern. Ende der letzten Saison habe ich mich dann entschieden intensiv und strukturiert zu trainieren.

Wie kommt es, dass man zehn Jahre mit dem Eisschnelllaufen aussetzt und nach nur eineinhalb Jahren intensivem Training an einer EM teilnehmen kann?

Die absolut zentralen Faktoren beim Eisschnelllaufen sind die Technik, die Erfahrung, das eigene Körpergefühl, eine gute Selbsteinschätzung und eine fundierte Grundlagenausdauer. Und hier hatte ich meine Basis schon vor Jahren gelegt. Ein ebenso wichtiger Punkt sehe ich aber im mentalen Bereich, dass man überzeugt ist von dem was man macht und dass man Spass und Zufriedenheit hat beim Eislaufen.

Du arbeitest zu 50% als Krankenschwester, bist Mutter von zwei Kindern und betreibst Leistungssport. Wie bringst du alles unter einen Hut?

Das frage ich mich manchmal selbst auch! Ich denke, das ist hauptsächlich eine Frage der Organisation und dies klappt nur Dank der Mithilfe von Ronald, den Eltern und der Tagesmutter. Ich habe auch das Glück, dass ich meine Arbeitszeit relativ gut einteilen kann.

Wie bist du mit deinen Leistungen an den Europameisterschaften zufrieden?

Mit den Leistungen bin ich sehr zufrieden, weiss aber auch, dass ich auch auf den 500m und 1500m Fehler gemacht habe und noch mehr Potential vorhanden ist.

Welches sind deine sportlichen Ziele und mögliche Leistungsentwicklung?

Meine Spezialdisziplinen sind die 3000m und 5000m. Dort will ich mich an den Weltcups in der B Gruppe vorne platzieren.

Und Olympia?

Dies war bisher für mich kein wirkliches Thema. Nach den guten Leistungen dieses Wochenendes über 3000m sehe ich hier jedoch reelle Chancen, die wenigen Sekunden zu verbessern, um mich im Europäischen Mittelfeld zu platzieren.

Was musst du zusätzlich investieren, um deine Ziele zu erreichen?

Dieses Jahr haben wir eine gute konditionelle Basis gelegt. Diese muss weitergeführt werden und nächste Saison müssen wir zudem unbedingt an der Härte, der Schnelligkeit und Sprungkraft arbeiten. Hinzu kommt, dass je öfter man auf gutem Eis Wettkämpfe fährt, um so besser kann die Technik umgesetzt werden.

Die Szene der Eisschnellläufer in der Schweiz ist sehr klein. Welches sind deiner Ansicht nach die wichtigsten Aspekte, damit ein Wiederaufbau des Schnelllaufens in der Schweiz erfolgreich ist?

Um eine grosse Breite aufbauen zu können, müssen zuerst die Infrastruktur und Rahmenbedingungen verbessert werden. Hierfür ist es wichtig, im Mittelland eine Eisschnelllaufbahn zu haben. Wir brauchen auch ausgebildete Trainer, welche Jugendliche motivieren können. Bei der heutigen Situation auf den Kurzbahnen müssten wir zudem dringend mehr und bessere Eiszeiten haben. Der SEV und die Clubs sind also gefordert und müssen Sportpolitisch aktiv werden, will das Eisschnelllaufen in der Schweiz auf einer grösseren Basis Fuss zu fassen.

Das interview führte: Gabi Schibler

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Copyright © 2004 Wolfgang F. Stummer
Last Up-date: 23.01.2004