Sonntag, 28. Januar 2001

"Ich hätte es hier nicht viel besser machen können"

Sarah Meier gelang als Fünfte das beste Schweizer EM-Resultat seit 20 Jahren

VON MARKUS JOOS

Ich habe gemacht, was ich konnte", freute sich Sarah Meier, als sie nach ihrer Kür im Andrej-Nepela-Stadion von Bratislava vom Eis kam. Sieben Dreifachsprünge gelangen ihr in ihrem "Miss Saigon"-Programm, zwei davon allerdings mit kleinen Unsicherheiten bei der Landung. Sie stand damit mehr Dreifachsprünge als alle anderen in der Spitzengruppe. "Ich bin zufrieden mit der Leistung, drei Wettkampfteile brauchen schon sehr viel Kraft", sagte die 16-jährige Bülacherin, die mit dem fünften Rang das beste EM-Ergebnis einer Schweizerin seit dem Titelgewinn von Denise Biellmann vor genau 20 Jahren erreichte.

Vierter EM-Titel für Slutskaja - trotz ungenügender Vorbereitung

"Ich hätte nie gedacht, dass ich so weit nach vorne kommen würde, vor dem Start habe ich auf einen Rang zwischen acht und zwölf gehofft", sagte Meier. Und fügte an: "Ich hätte es hier nicht viel besser machen können." In Kurzprogramm und Kür konnte die 16. des Vorjahres mit den russischen Topläuferinnen antreten und auch mit ihnen zusammen trainieren. "Das war sehr gut," sagt sie, "so habe ich mich automatisch angestrengt, denn ich wollte natürlich nicht, dass die Leute denken, ich sei zu Unrecht in dieser Gruppe mit dabei." Grosse Unterschiede habe sie beim Vergleich eigentlich nicht festgestellt, "weder in Sachen Schnelligkeit noch bei den Sprüngen", sagte sie. "Und dass ich im künstlerischen Bereich noch zulegen muss, habe ich ja gewusst."

Allzu grosse Unterschiede waren auch im Kürwettkampf nicht festzustellen, mit dem Irina Slutskaja ihren vierten EM-Titel nach 1996, 1997 und 2000 gewann. Die 21-jährige Moskauerin trat in ihrer Kür als Don Quichote auf und zeigte fünf Dreifache, wobei sie den Lutz erst im dritten Anlauf meisterte. "Ich lag einige Zeit mit Grippe im Bett und konnte erst seit einer Woche wieder aufs Eis, so war ich nicht genügend vorbereitet", erklärte die russische Meisterin, die im Vorjahr noch mit speziellen Dreifach-Dreifach-Kombinationen aufgewartet hatte.

Die Idee für das schwarzrote Kürkleid mit den Netzärmeln sei ihr im Bolschoi-Theater gekommen, als sie dort mit ihrer Trainerin Schanna Gromowa die Ballade von Don Quichote angeschaut habe. Slutskaja war nach ihren ersten beiden EM-Erfolgen in ein Tief gefallen und dachte bereits ans Aufhören. "Zum Glück halfen mir die Leute in meinem Umfeld über diese Krise hinweg", schmunzelte die Siegerin, die im Sommer 1999 geheiratet hat. Auf die Weltmeisterschaft in Vancouver, wo ihr wie in den vergangenen Jahren mit der Amerikanerin Michelle Kwan zusätzliche Konkurrenz erwächst, werde sie das Sprungrepertoire wieder aufbauen.

Maria Butyrskaja, Europameisterin von 1998 und 1999 und damit in Bratislava Slutskajas härteste Konkurrentin, kämpfte in ihrem Programm wie die Helden im Film "17 Momente im Frühling", einem russischen Kriegsfilm, zu dessen Musik die von Jelena Tschaikowskaja betreute Moskauerin läuft. Zwei Stürze beeinträchtigten das reif vorgetragene Programm, in dem sie ebenfalls fünf Dreifache stand. "Ich habe gefühlt, dass ich heute nicht gewinnen kann, und mich deshalb wohl nicht genug konzentriert", bedauerte die mit 28 Jahren älteste Läuferin des Feldes nach der Kür.

Auch Viktoria Woltschkowa kam nicht fehlerfrei durchs Programm. Der 18-jährigen Sankt Petersburgerin, die in Moskau lebt und arbeitet, gelangen von den vier Dreifachsprüngen nur gerade zwei lupenrein. Dank ihrem Renommee holte sie wie im Vorjahr Bronze und verhalf den Russen zum dreifachen Erfolg. Der kam nicht zuletzt auch deshalb zu Stande, weil die Französin Vanessa Gusemeroli und die Ukrainerin Jelena Ljaschenko patzten.

Wegen ungerechten Preisrichterentscheids verlor Meier Rang 4

Ungerechterweise setzten die Preisrichter Ljaschenko, die nur vier Dreifache sicher stand, aber schon seit acht Jahren dabei ist, in der Küreinzelwertung vor Sarah Meier, sodass die Bülacherin ihren vierten Rang nach dem Kurzprogramm verlor. Sie könne diese Entscheidung nicht beurteilen, sagte die Schweizerin, sie habe die direkten Konkurrentinnen nicht gesehen. "Zum Glück vielleicht", schmunzelte sie, "sonst hätte ich mich noch geärgert."

Bratislava (Slk) - EM. Frauen: 1. Slutskaja (Rus) 2,0. 2. Butyrskaja (Rus) 4,2. 3. Woltschkowa (Rus) 8,2. 4. Ljaschenko (Ukr) 8,4. 5. Meier (Sz) 10,2. 6. Sebestyen (Un) 11,2. 7. Kettunen (Fi) 14,6. 8. Maniatschenko (Ukr) 16,2. 9. Gusmeroli (Fr) 18,8. 10. Giunchi (It) 19,0. - Verletzt, zur Kür nicht angetreten: Soldatowa (WRus/7. nach Kurzprogramm). -

Kür: 1. Slutskaja. 2. Butyrskaja. 3. Sebestyen. 4. Ljaschenko. 5. Woltschkowa. 6. Meier. 7. Kettunen. 8. Giunchi.


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Im künstlerischen Ausdruck noch verbesserungsfähig: Sarah Meier, die sieben Dreifache sprang