Weltmeisterschaft im Synchronized Skating:

Schweden verteidigen erfolgreich WM-Titel in Helsinki

von Wolfgang Stummer (Schweiz)

Das technisch starke Team Schweden 1 (Surprise aus Landvetter) verteidigte an der zweiten Weltmeisterschaft im Formationseislaufen in Helsinki vom 4. bis 7. April erfolgreich den Weltmeistertitel im Synchronized Skating. Mit einer eindrücklichen Kürdarbietung und mit Unterstützung durch die 6‘500 Zuschauer in der Helsinki Eisarena gelang es dem Team Finnland 1 (Rockettes), vom vierten Zwischenrang aus die Silbermedaille zu gewinnen. Dritte wurden die Vorjahres-Zweiten Team Canada 1 (black ice).

Ein populärer Sport in Finnland

Nachdem die erste Auflage einer Weltmeisterschaft in der jungen Disziplin Synchronized Skating in Übersee, das heisst im US-amerikanischen Minneapolis stattgefunden hatte und hier in Europa nur wenig wahrgenommen wurde, durfte man gespannt sein, wie ein solcher Anlass in Europa und speziell in der finnischen Hauptstadt aufgenommen würde. Nachdem Finnland neben Schweden führend im Formationseislauf in Europa ist, war es daher geradezu logisch, die zweite Weltmeisterschaft in Helsinki auszutragen.

Das Echo darf den ISU-Verantwortlichen, welche diese Vergabe zu vertreten haben, in vollen Zügen Recht geben. Der Anlass war nicht nur perfekt organisiert, er fand auch in der Bevölkerung und bei den Medien die nötige Unterstützung und Resonanz. So wohnten den Kürdarbietungen vom Samstag über sechseinhalbtausend Zuschauer in der Helsinki Eisarena bei. Damit aber nicht genug: Die Veranstaltung wurde gleichzeitig vom finnischen Fernsehen live in alle Haushalte übertragen. Selbst Eurosport zeigte in der Folgewoche eine zweistündige Aufzeichnung (mit Wiederholung), welche in ganz Europa ausgestrahlt wurde.

Nicht weniger als hundert Nachwuchs-Skaters aus der Region Helsinki nahmen an der fröhlichen Eröffnungs-Zeremonie teil. Als Abschluss-Highlight ihrer Darbietung bildeten sie ein zehn-speichiges Rad, welches fast die ganze Eisbahn abdeckte. Es darf mit Genugtuung festgestellt werden, dass das Synchroneislaufen mittlerweile endgültig aus seinem Mauerblümchendasein erwacht ist und, zumindest in Nordeuropa bzw. Skandinavien, an Popularität kaum zu übertreffen ist.

Dominanz schwieriger Schrittfolgen im Kurzprogramm

Im letzten Sommer wurden die ISU-Regeln im Synchronized Skating wieder einmal gründlich geändert und einige Neuerungen boten Anlass zu Diskussionen, welche einen grossen Teil des Winters hindurch andauerten. Ein solches Thema waren sicher die sogenannten Schrittfolgen im Kurzprogramm. Die Definition einer Schrittfolge wurde zwar in Regel 705 klar festgehalten. Diese muss beinhalten: Schritte und Drehungen von schwieriger Art wie etwa Mohawks, Choctaws, Twizzles, Kantenwechsel, Chasses etc. Ausserdem muss sie lang genug sein, um erkennbar zu sein. Nicht anerkannt wird eine Schrittfolge, wenn mehr als einmal am Stück übersetzt wird (Crossover). Da in vier der fünf vorgeschriebenen Elementen je zwei solche Schrittfolgen enthalten sein müssen, ist es eine ausserordentlich schwierige und heikle Aufgabe, diese als eine solche zu erkennen und voneinander zu trennen. Sind nicht zwei eigenständige Schrittfolgen zu erkennen oder sind diese nicht korrekt ausgeführt, so hat der Preisrichter hierfür einen Abzug zu machen.

Die neuen Vorschriften haben sich trotz schwieriger Interpretation durchwegs positiv auf die Kurzprogramme ausgewirkt. Wenn früher die Choreographen ihr Gewicht mehrheitlich auf die Manöver beschränkten, so hat die Tendenz nach wesentlich mehr technischen eisläuferischen Fähigkeiten ihre Wirkung kaum verfehlt. Die Spitzenteams zeigten allesamt technisch hochklassige Kurzprogramme mit eindrücklichen und schwierigen Schrittpassagen. Endlich erhält auch das Formationseislaufen den Status einer anspruchsvollen Sportart, was nur erwünscht sein kann, falls die Disziplin je einmal olympisch werden sollte.

Allerdings ist für den Laien die regelkonforme Schrittfolge nicht erkenn- oder nachvollziehbar, weil das Fachwissen fehlt. Somit kann der Zuschauer auch nicht erkennen, wenn ein Preisrichter entsprechende Abzüge vorgenommen hat. Zumindest bei den weiter hinten klassierten Teams waren solche Abzüge für nicht korrekte Elemente auszumachen.

Nicht einmal die Hälfte aller Teams konnte das Kurzprogramm fehlerfrei oder ohne Abzüge beenden. Selbst bei den Spitzenteams mussten Stürze hingenommen werden. Fehlerfrei blieben die nach dem Kurzprogramm führenden Schweden 1 und die zweitplatzierten Canada 1. Bereits die auf den dritten Platz fahrenden Finnland 2 (Marigold) hatten einen gut sichtbaren Stolperer zu verzeichnen. Das Team Finnland 1 (Rockettes) begann sein Programm in einer Kreisform nahe der Bande als eine Läuferin stürzte, bevor überhaupt zum Element angesetzt wurde. Glücklicherweise blieb es bei diesem Missgeschick, doch reichte dies nur noch zum vierten Zwischenrang. Die deutschen Mannschaften zeigten beide ein ihren Leistungen entsprechendes Programm ohne nennenswerte Fehler. Deutschland 1 (Team Berlin 1) erreichte mit ihrem jiddischen Volkshit "Havana Nagila" im Kurzprogramm Rang sieben, obwohl das vor ihnen liegende Team Canada 2 einen Sturz im Kreis zu verzeichnen hatte. Das andere beteiligte deutsche Team Deutschland 2 (United Angels) erreichte den 16. Zwischenrang. Fehlerfrei blieb auch Team Schweiz (Cool Dreams), doch legten sie ihr Programm ohne Überzeugungskraft eher zaghaft und auf Sicherheit bedacht hin,sodass sie nicht über den 14. Zwischenrang hinauskamen. Wahres Pech hatte das Team Australien. Nicht nur zogen Sie als erstes Team der Auslosung die Startnummer 1, sie mussten zudem eine Häufung von Stürzen hinnehmen. Nach je einem Sturz in der Linie und in der Durchkreuzung (zwei Läuferinnen) sowie einem Patzer im Kreis stürzte ganz am Ende des Programms nochmals eine Läuferin. Die kleinen Medaillen für das Kurzprogramm gingen somit an Schweden 1 (Gold), Canada 1 (Silber) und Finnland 2 (Bronze).

Technik vor Show in der Kür

Auch dieses Jahr wurde bei den Kürprogrammen grosser Wert auf Originalität gelegt, doch sind das technische Vermögen und die eisläuferischen Qaulitäten höher einzustufen als spektakuläre Manöver. Allerdings versteht sich schon von selbst, dass das zweite ohne das erste gar nicht möglich ist, was die skandinavischen Teams eindrücklich unter Beweis stellten. Neu in den Programmen sind ganze Eisbahn-Längen in Block- oder Linienformation ohne Handhaltung sowie der Einbau gemeinsam ausgeführter Sprung- oder Pirouetten-Kombinationen. Die schwedischen Titelverteidiger Surprise zeigten ein äusserst anspruchsvolles Programm zur Musik "Sindbad". Eindrücklich waren eine temporeiche Passage mit Fliegern ohne Handhaltung über die gesamte Längsachse, eine sehr synchrone Pirouette mit Fusswechsel oder eine Dreiecks-Durchkreuzung mit gleichzeitigem Rad in der Mitte. Während das Team Schweden 1 technisch als unschlagbar gilt, wurde es doch von den beiden finnischen Teams punkto Ausgefallenheit, Originalität und Vielfalt schwer bedrängt. Dank der an Einfallsreichtum kaum zu überbietenden, von Kaisa Nieminen und Susanna Rahkamo hervorragend choreographierten und vom einheimischen Publikum bejubeten Kür gelang es den Rockettes, vom vierten Platz zwei Plätze gutzumachen und die Silbermedaille zu erobern. Ebenfalls ein ausgefallenes und sehr interessantes Programm zeigte Finnland 2. Für einige mag die Choreographie am Schluss zu verwirrend gewirkt haben und die Musik war allzu rasch wechselnd, sodass Marigold (allerdings hatten sie einen Sturz in der Dopellinie) für das "geordnete Chaos" der undankbare vierte Rang hinter den eher brav und konventionell fahrenden Kanadiern (black ice) blieb. Kanada 1 vermochte immerhin für die vierfarbigen in Pastelltönen gehaltenen Kostüme Anerkennung zu erhalten. Die US-amerikanischen Meister Haydenettes zeigten ein eher konventionelles Programm, immerhin schön und fehlerfrei vorgetragen zur Musik von Irving Berlin. Dafür erhielten sie den fünften Rang vor dem Team Canada 2, welches einen langen Block in "no-hold" und synchrone Sprünge im Programm hatte. Ihren siebten Rang halten konnten die Deutschen Meister. Sie trugen auf dem Eis den Bandenkrieg zwischen zwei verfeindeten Gangs nach Bernsteins West Side Story aus. Dabei traten sie in den Kostümfarben rot und blau an. USA 2 zeigte interessante Parlauf-Elemente zur etwas abgenutzten Carmen von Bizet. Ein böser Sturz störte dabei die Formation doch erheblich. Ebenfalls einen Sturz im Block ganz am Schluss des Programmes mussten die ansonsten technisch starken Russinnen hinnehmen. Ein schönes Kürprogramm zeigten die überraschenden Japanerinnen, nachdem sie im Kurzprogramm nicht zu überzeugen vermochten. Die Sprungkombinationen, Pirouetten sowie "no-hold"-Passagen überwogen aber etwas zu sehr. Sie dürften die Grenze des Sinnvollen doch überschritten haben. Nicht gerade als eigenständig bleibt die Darbietung von Team Italien in Erinnerung, haben sie doch den vor Jahren von den Eistänzern Duchesnes gezeigten Dschungeltanz etwas zu sehr kopiert. Sie verloren einen Rang und fielen hinter die Japanerinnen zurück. Die Schweizer Meisterinnen aus Burgdorf wie auch die Deutschen Vizemeister aus Stuttgart vermochten ihre Leistung ebenfalls nicht erheblich zu steigern und hielten ihren 14. respektive 16. Platz.

Fazit: Keine grossen Verschiebungen gegenüber dem Vorjahr

Alles in allem darf als Resumé festgehalten werden, dass sich die Positionen der teilnehmenden Länder nur wenig verändert haben. Die Dominanz der Skandinavier und Nordamerikaner hält weiter an. Das Mittelfeld ist sehr breit und wird von den Mitteleuropäern und Japan dominiert. Ohne Zweifel lässt sich sagen, dass jedes der zwischen Rang 10 und 16 klassierten Teams ebensogut mehrere Plätze weiter vorne oder weiter hinten hätte rangiert sein können. Das zeigen auch die Plazierungen der einzelnen Preisrichter, welche keinesfalls einheitlich klassierten. Insgesamt hat sich das Niveau weiter gesteigert. Kein Team fiel stark ab. Zu den Schlusslichtern gehören neben Australien (Rang 19) und Südafrika (Rang 21) auch die Ungarinnen (Rang 20), welche mit wenig Schwung und geringem eisläuferischem Können eher enttäuschten. Sie mussten sich sogar noch von dem erstmals teilnehmenden Estland (Rang 18) schlagen lassen.

Professionalisierung des Synchron-Eislaufs als oberstes Ziel

In einer kurzen Pressekonferenz vor Beginn der Meisterschaft nahm Ottavio Cinquanta zur weiteren Entwicklung des Synchronized Skating Stellung. Er hob hervor, dass der Sport in erster Linie Musse sein solle. Er soll aber dazu dienen, den Charakter des Teamgeistes zu fördern und weiter auszubilden. Insbesondere da es die einzige Team-Diszilin in der ISU sei, ergänze das Synchronized Skating in bester Weise die übrigen Sparten. Der Synchron-Eislauf habe innert kürzester Zeit grossen Fortschritt gemacht. Dennoch müsse er weiter professionalisiert werden. Insbesondere müsse die Balance zwischen den Ländern etwas homogener werden. Es müssten noch weitere Länder für den Sport gewonnen werden. Wichtig sei, dass man für diesen Sport die besten Eisläufer aussuche. Konkret auf die Frage angesprochen, ob in nächster Zukunft damit zu rechnen sei, dass der Formations-Eislauf olympisch werde, entgegenete Cinquanta, dass die Zeit hierfür noch nicht reif sei. Die Sportart habe noch nicht genügend Potential gezeigt, um olympisch anerkannt zu werden. Die ISU wolle ihren guten Ruf unter den Sportverbänden nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Wenn man etwas Neues präsentieren wolle, müsse es schon professionell daher kommen. Mit der Austragung von Weltmeisterschaften sollen zuerst die nötigen Erfahrungen gesammelt werden: "Wir wollen guten Sport präsentieren", so Cinquanta wörtlich. Man wolle nicht ähnliche Fehler begehen, wie bei der Einführung des Damen-Eishockeys in den olympischen Disziplinen, wo die nötige Resonanz und Professionalität nicht Einzug gefunden habe.

Zur weiteren Entwicklung im Synchron-Eislauf nahmen nach Abschluss der Titelkämpfe auch die Trainerinnen der Medaillengewinner Stellung. Während Andrea Dohany (Schweden 1) Wert darauf legte, dass man immer mehr interssante Programme zeigen müsse, um gegenüber der Masse zu bestehen, meinte Kaisa Nieminen (Finnland 1), dass man im Synchronized Skating noch viel aus dem Kunstlaufen und Eistanzen zu lernen habe, dass aber andererseits der Gedanke des Teamsports darunter nicht leiden dürfe. Cathy Dalton (Canada 1) betonte, man müsse auf den Sport achten und nicht zu stark eine Tendenz verfolgen, welche danach ziele, dass die Rolle der Kostüme, Haartrachten und des "Dramatischen" in den Programmen überbetont werde.

Andrea Dohany über das Geheimnis der Schweden

Auf die Frage, woran es liege, dass das Schwedische Spitzenteam Surprise unschlagbar sei, fand die Trainerin Andrea Dohany nach Abschluss der Meisterschaft ganz plausible und einfache Antworten. So sei es sicher einmal die Technik des Eislaufens, welche das Team stark mache. Aber auch im künstlerischen Bereich habe das Team grosse Fortschritte gemacht. Es habe ein hoher Druck auf dem Team gelegen, weil jedermann verlangte, dass das Team wieder siegen müsse. Das sei insbesondere deshalb gar nicht leicht gewesen, als dieses Jahr 10 neue Mitglieder im Team mitfahren. Grossen Wert legen die Schweden auf eine gezielte Aufbauarbeit. Die Team-Mitglieder müssen sich in den Nachwuchs- und Junioren-Teams bewährt haben. Jede neue Läuferin, bzw. jeder Läufer, muss sich seinen Platz im nächst höheren Team hart erkämpfen. Wesentlich mehr Zeit als beim Kunstlaufen oder Eistanzen nimmt nach den Worten von Andrea Dohany die Phase des Einstudierens und Aufbauens des Programmes in Anspruch. Das sei auch der Grund, weshalb die Surprise nur an wenigen Wettbewerben im Jahr teilnehmen würden. Andrea Dohany ist über den zweiten Rang der finnischen Rockettes keinesfalls überrascht. Schliesslich sei deren Trainerin Kaisa Nieminen mehrere Jahre im Team Surprise mitgelaufen und habe dort viel gelernt. Auch beim deutschen Team Berlin 1 zeigt sich, wie erfolgreich Andrea Dohany ist. Sie hat deren Programme einstudiert. Ausgefeilt und mit eigenem Charakter versehen werden die Programme der Deutschen allerdings durch den sonst für das Parkett-Formationstanzen tätigen Andreas Fischer. Dass die Berliner ein weiteres Jahr zur Westside-Story gelaufen sind, vermochte ihnen in Helsinki allerdings keine neuen Sympathiepunkte zu verschaffen. Obwohl technisch stark, gelang es ihnen nicht vollends, das Publikum und die Preisrichter zu überzeugen. Die im deutschen Parkett-Tanz übliche Perfektion an Synchronität und Körperhaltung vermochte nicht, den Funken überspringen zu lassen, vielleicht ein Punkt, wo der Tanz-Profi noch etwas ins Team zu investieren hat.

zurück


Copyright © 2001 Wolfgang F. Stummer
Last Up-date: 03.09.2001